Synagoge in Ulm

Zum zweiten Mal lud das Katholische Schulwerk e.V., der Förderverein des Bischof-Sproll-Bildungszentrums zu einem Besuch in die Ulmer Synagoge ein. Wie im Herbst war es wieder eine Gruppe mit 50 Personen. Rabbiner Shneur Trebnik gab die Führung und beantwortete die Fragen der Teilnehmer. Die heutige Synagoge wurde 2012 eröffnet. Die ehemalige Ulmer Synagoge stand nebenan. Diese Synagoge wurde in der Reichspogromnacht zerstört. Zu alldem erhielt die jüdische Gemeinde eine Rechnung, die Kosten für die Entsorgung des in Schutt und Asche liegenden Gebäudes zu bezahlen. Diese Rechnung liegt heute im Original im Stadtarchiv. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges lebten keine jüdischen Mitbürger mehr in Ulm. Die letzten Gemeindemitglieder wurden damals nach Theresienstadt gebracht, von dort kam niemand mehr zurück. Rabbiner Shneur Trebnik gab Einblick in die große Flüchtlingswelle aus den osteuropäischen Ländern nach Kriegsende. „Hunderttausende Menschen jüdischen Glaubens waren unterwegs nach Westeuropa, um Europa zu verlassen. Ziele waren Amerika, Südamerika, Israel, Afrika. Deutschland wurde das Sprungbrett in eine neue Welt“, so Trebnik. In Ulm blieben fünf Personen. In Neu-Ulm waren es zwei. Zur aktuellen jüdischen Gemeinde im Großraum Ulm gehören 500 Mitglieder. Im jüdischen Glauben ist es Tabu zu missionieren. Neu war für einige Teilnehmer, dass die Religion nur von der jüdischen Mutter vorgegeben wird. Thema war auch der Ablauf des Gebetes im Gebetsraum der Synagoge. Nach wie vor sitzen Frauen und Männer getrennt in dem Raum. In Ulm sitzen die Frauen oben, die Männer unten. Getrennt bleibt es, da sich die Personen dadurch besser auf das Gebet konzentrieren würden. „Wenn ich neben meiner Frau sitzen würde, würden wir sicherlich noch Alltägliches besprechen“, so Rabbi Trebnik. Die Liturgie ist während der Gebetsstunde nicht eng vorgegeben. Auch gibt es keine Hierarchien von Geistlichen im jüdischen Glauben. Rabbiner ist eine Berufsbezeichnung, die nach einem dreijährigen Studium erreicht wird. Trebnik sieht sich als Berater, Sozialarbeiter in der Gemeinde für Fragen des Glaubens. In der gemeinsamen Gebetsstunde - im Christentum wird es Gottesdienst genannt - gibt es keine Predigt. Jeder, der das Wissen hat, darf der Vorbeter sein und auch vorsingen. Diese freie Gestaltung sorgte für einige Nachfragen der Besucher. Die Gestaltung des Gebetsraumes obliegt jeder Gemeinde. Zwingend ist, dass der Blick im Gebet nach Jerusalem gerichtet ist. Daher ist die Synagoge zwar quadratisch, doch der Gebetsraum ist nach Jerusalem gedreht, sozusagen in diesem Fall in die Ecke. Auch welcher Spruch, welche Farbe der Schrein hat, bestimmt die Gemeinde. Essentiell ist die Thora, die ca. 80 bis 90 cm lang ist und immer von Hand geschrieben wurde. Rabbiner Shneur Trebnik zeigt eine Mini-Thora, eine gedruckte Version. „Die Schrift ist zu klein, um darin lesen zu können“, so der Rabbi. Übrigens ist der David-Stern kein religiöses Symbol. Auch der siebenarmige Leuchter oder das Chanukka-Lichterfest hat nichts mit der Synagoge zu tun. Rabbiner Trebnik unterscheidet zwischen religiösen und traditionellen Symbolen. Die hebräischen Zeichen auf der Stoffbahn, dem Schrein der Thora bedeuten: „Schau die Herrlichkeit Gottes und besuche seinen Tempel“. Die untere Zeile stammt aus Jesaja 60,1-2: "Steh auf, weil Gottes Licht auf Dir glänzen wird."
Text und Fotos: Inge Veil-Köberle

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