Besuch und Führung in der Ulmer Synagoge

Das Katholische Schulwerk e.V. organisierte für seine Mitglieder, die Familien und Förderer des Bischof-Sproll-Bildungszentrums, einen Besuch der Ulmer Synagoge sowie ein Gespräch mit Rabiner Shneur Trebnik. . Rabbiner Trebnik empfing die über 50 Personen große Besuchergruppe. Er wies gleich anfangs daraufhin, dass es nach jüdischer Tradition keine Begrüßung per Händedruck gibt, wie es sonst üblich ist. Männer geben Männern die Hand und Frauen geben Frauen die Hand, so die Regeln. Im Empfangsraum erhalten die Männer eine Kippah, die sie aufs Haupt legen. Das leicht gelbliche quadratische Haus im Weinhof neben dem Schwörhaus wurde 2012 fertiggestellt. Die Synagoge beherbergt den Raum für die Gottesdienste sowie weitere Räume für kulturelle Angebote. Es ist zudem Lehrhaus für die jüdische Gemeinde. Rabiner Trebnik sagt, dass für Veranstaltungen alle Menschen willkommen sind. Er lebt seit 17 Jahren in Deutschland und gab der Besuchergruppe Einblicke, wie der Gottesdienst von jedem gestaltet werden kann, sofern er die Gebote und Verbote einhält. Es sei im jüdischen Glauben nicht notwendig, ein Studium zu haben, um vor der Gemeinde zu sprechen. Auch darf jeder gläubige Jude aus der Thora lesen. Die Thora besteht aus den fünf Büchern Mose. Die jüdische Gemeinde Ulm sammelt derzeit Geld um eine weitere Thorarolle zu kaufen. Eine Thora wird von Hand geschrieben, Wort für Wort. Auf die Frage einer Besucherin, ob der Preis in Höhe von 30.000 Euro korrekt ist, antwortete der Rabiner: „Eine Person ist ein Jahr mit dem Schreiben der Thora beschäftigt – folglich ist es der Wert eines Jahreseinkommens. Je nach Handschrift und Ausarbeitung variieren die Preise für eine Thora zwischen 25.000 und 50.000 Euro.“ Für einige der Besucher war es ein neuer Aspekt, dass nach dem zweiten Weltkrieg circa sechstausend Juden unterwegs in Westeuropa waren. Sie kamen aus dem Osten nach Westeuropa zurück, um Europa zu verlassen. Deutschland war sozusagen das Sprungbrett in Länder wie USA und Israel. Anfang 1950 gab es in Ulm fünf bis sieben und in Neu Ulm zwei Juden. Auch einen Blick in die Ulmer Geschichte zeigte Rabiner Trebnik. Die heutige Synagoge steht nicht weit entfernt von der letzten Synagoge in Ulm. Diese wurde, wie viele andere Synagogen, in der Reichspogromnacht angezündet und zerstört. Trebnik erwähnte, dass die Originalrechnung für das Entsorgen des Schuttes an die jüdische Ulmer Gemeinde heute im Museum ausgestellt ist. Auch ein Grabstein mit der Jahreszahl 1337 von einem jüdischen Friedhof ist im Museum. Dieser Friedhof war nah an der Stelle, wo heute das Rathaus steht. Der Grundstein für das Münster wurde übrigens 40 Jahre später gelegt. Heute leben in Deutschland laut Rabiner Trebnik ca. 200.000 Juden. Einige der Besucher hatten viel mehr geschätzt. Das Einzugsgebiet der jüdischen Gemeinde reicht von Heidenheim bis Biberach an der Riß und vereint 500 Mitglieder. Die nächsten Gemeinden sind Stuttgart und Augsburg. In der Synagoge wird auch, in Absprache mit dem staatlichen Schulamt jüdischer Religionsunterricht erteilt. Den Jugendlichen wird in der 8. und 9. Klasse empfohlen, die hebräische Sprache soweit zu lernen, dass sie Texte lesen und verstehen können. Übrigens von Geburt Jude oder Jüdin ist nur möglich, wenn die Mutter jüdischen Glaubens ist. Es gibt kein Ritual im Sinne einer Taufe. Das Judentum ist im Gegensatz zum Christentum und zum Islam keine missionierende Religion. Es kann also nur auf religiösem Weg zum Judentum übergetreten werden und dazu gehört viel Lernen. Rabiner Shneur Trebnik beantwortete über eine Stunde die zahlreichen Besucherfragen. Eine sehr informative Führung endete mit viel neuem Wissen und Eindrücken für die Besucher rund um das jüdische Leben in Ulm.
Text und Fotos: Inge Veil-Köberle

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